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Gastkolumne vom August 2000

 Da ruft mich doch ein Herr Bruno an. Bisher habe Rosmarie immer zu seinen Balkonpflanzen geschaut, aber die sei ja auf das linke Ufer gezogen und da sei das wohl etwas umständlich. Rosmarie habe ihm aber Balkonia empfohlen, die schaue eh zu allen Pflanzen in der Altstadt, wenn diese - die Pflanzen - von ihren Herrchen ferienhalber oder was immer verlassen würden.

Um fünf im Barbatti, er erkenne mich schon, schliesslich habe Rosmarie mich beschrieben. Das macht Spass. Wie Rosmarie mich beschreibt, kann ich mir vorstellen, schliesslich kennt die mich. Was die nicht weiss: Ich kann mich verkleiden. Zuerst pule ich mir die Gartenerde aus den Fingernägeln, dann ziehe ich mir eine Hose an, die sitzt. Ich suche mir ein Handtäschli, weil gut sitzende Hosen völlig ungeeignet sind Schlüssel, Geld und Handy unterzubringen. Ich schmier mir Lippenstift an und tusche die Wimpern. Hoffentlich sieht mich niemand, der mich kennt - der würde denken, ich suche einen neuen Mann. Der neue weisse Kittel und das Seidenfoulard von Hermes, das mir Kaspar vor Jahren mal geschenkt hat, alles wird montiert. Vor dem Spiegel kenn ich mich selbst nicht wieder.

Logischerweise erkennt auch Herr Bruno mich nicht. Aber ich ihn. Er ist der einzige im voll besetzten Gartenrestaurant, der eine ganze Flasche besten Rotweins aus Italien vor sich hat. Mit zwei Gläsern. Rosmarie kennt mich halt doch. Bruno ist verschlossen. Er leidet. Mit jedem Glas Roten mehr. Er muss während der drei Wochen Betriebsferien eine Woche lang seine Mutter besuchen, die in irgend einem Kaff wohnt. Eine Woche ohne seine Pflänzli und ohne seine beiden Katzen. Noch ein Glas Rotwein und er leidet jetzt noch mehr. Bruno mag ich auf Anhieb. Er zeigt mir dann seinen Balkon mit den gepflegten Pflanzen, stellt mir seine beiden Katzen vor. Selbstverständlich wolle er für den Hütedienst bezahlen. Vergiss es lieber Bruno, diesen Pflanzen und den beiden Büsis schaue ich gratis.

Bruno ist Koch, arbeitet aber als Verkäufer für den Gastrobedarf. Seine Wohnung ist für ihn gemacht. Es ist eigentlich keine Wohnung, sondern ein Balkon mit Küche und Schlafgelegenheit. Über Brunos Küchen- und andere Kräuter hört Ihr im nächsten Urwaldtipp von mir, der Balkonia.

Bis bald, Eure Balkonia