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Gastkolumne vom August 2001

 Gut, dass ich dich treffe, Balkonia, werde ich vom einzigen Weinbauern der Altstadt begrüsst. Er, Heinz, sitzt gemütlich mit Freunden in Gennaros Gartenbeiz und lädt mich zu einem Glas besten Rotweins ein: Wenn ich ihm nur helfen könne. Letztes Jahr, sagt er, habe er vier 7dl Flaschen Weisswein der Marke "Töpfertropfen" keltern können, eine Flasche mehr als im Vorjahr. Wunderbar sei dieser Wein gewesen. Denen von Aigle könnte er das Weinmachen noch beibringen, auch wenn er auf seinem Balkon keine Eidechsen habe. Aber dieses Jahr? Eine einzige Rispe mit kümmerlichen Beeren langweilt sich auf der Terrasse. Wahrscheinlich fehlen halt doch die Eidechsen, meint Markus, der mit am Tisch sitzt und dem unser Pflanzenpalaver langsam auf den Wecker geht. Kauf doch ein paar Trauben beim Coop und häng sie über die Äste, meint meine Schwester. Das hat unser Vater immer gemacht wenn Gäste kamen, keiner hat je etwas gemerkt - man muss die Besucher nur davon abhalten, nah an die Pflanzen zu gelangen, es sei denn sie sind fast blind oder schon ziemlich angetrunken. Heinz hat aber weder Lust Kriechtiere auf seiner Terrasse auszuwildern, noch macht es ihm Spass seine Gäste an der Nase rumzuführen: Er will Altstadtwein von seinen Balkon-Trauben. Ich verspreche, Balkonia-Leser und -Leserinnen, die was von Balkontrauben verstehen, um Hilfe zu bitten. Heinz erwartet sehnsüchtig Eure Hilfe unter bechter@freesurf.ch.

Die Pflanze des Monats August ist indes nicht die Weintraube, sondern die Sonnenblume. Das Symbol für Sonne, Sommer und Natur schlechthin. Schon im Kindergarten haben wir unter der mehr oder weniger fachmännischen Anleitung des griesgrämigen "Fröelis" Sonnenblumenkerne in mit Erde gefüllte Töpfchen gelegt. Jedem Kindergärtner sein Töpfchen, alle schön in Reih und Glied auf der Fensterbank. Morgens mussten wir antreten um den zukünftigen Pflanzen Wasser zu geben, was uns nach Wochen irgendwie ausgehängt hat und zur Folge hatte, dass das Fräulein noch griesgrämiger wurde - vor allem deshalb, weil sich in unserem Kindergartenzimmer ein penetranter Kellergeruch breit machte. Der kam eindeutig von den vor sich her schimmelnden Töpfchen. Von Sonnenblumen hatte Balkonia dann Jahre lang Wort wörtlich die Nase voll. Und dann kam die Frauenzeitung Annabelle mit der Botschaft: "lasst Sonnenblumen die Schweiz überwuchern". In jedem Heft waren ein paar Kerne verpackt und für die höchste Pflanze wurde ein Preis versprochen. Balkonia überwand ihr Kindergartentrauma und seither werden bei mir Sonnenblumen gepflanzt, allerdings nur Hochstämmer, damit unsere Katzen keine Chance haben, die Vögel beim Körnlipicken zu fangen. Den Vögeln macht es Spass. Die hängen an den verblühten Sonnenblumen, schlagen sich die Bäuche voll mit fetten Kernen und lachen die degenerierten Balkoniakatzen aus.

Viele liebe Grüsse und bis bald, Eure Balkonia