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Gastkolumne: Balkonias Urwaldtipps
August 2005

Ein paar Mal im Jahr hat Balkonias Vater die beiden Fenster im Badezimmer und das im Klo mit schwarzen Tüchern verhängt. Auf dem wackligen Badezimmertisch stand dann der grosse Belichtungsapparat und auf der Waschmaschine Schalen mit Entwicklern und so. Statt nach Seife und Papis Rasierwasser roch es dann dort in seiner Dunkelkammer nach Chemikalien und das dämmrige rote Licht verbreitete eine etwas hexenartige Stimmung. Balkonia war die einzige, die dort mithelfen durfte. Das WC hatte zwei Türen, eine zum Korridor, eine zum Bad und diente als Licht- resp. Dunkelheitsschleuse. Zuerst wurden die Filme entwickelt und an Wäscheklammern zum Trocknen aufgehängt. Vorsichtig wurde mit einer Pinzette das teure Fotopapier in den Apparat gelegt, belichtet und dann wieder mit einer Pinzette in die Schale mit dem Entwickler gelegt und geschwenkt bis das Bild die gewünschten Schwarzweisskontraste hatte. Dann wurde es fixiert, gewässert und zum Trocknen in die Badewanne gepeppt und mit einem Gummiroller fest gedrückt. Wenn es runter rutschte, war es einigermassen trocken. Jedes Foto war eine Einzelanfertigung und wurde liebevoll in ziemlich scheussliche Fotoalben geklebt, welche reihenweise unsere Büchergestelle zugemüllt haben.



Aus Balkonias Fotoalbum: Balkonia mit ihrer kleinen Schwester

Nun, heute hat ja praktisch jeder sein Fotostudio. Digitalkamera und Fotodrucker reichen und für fünfzig Rappen kann man die Bilder von seinen Kindern, Katzen, sämtlichen Freunden und jeden Sonnenuntergang herstellen und das erst noch farbig, was bei Sonnenuntergängen ziemlich Sinn macht. Leider werden diese Fotos nur selten diskret in Alben geklebt, sondern landen in den Vestons der Herren oder – häufiger – in den Handtaschen der Damen und werden überall sofort rausgekramt und rumgezeigt. Das beliebteste Sujet ist glaub das mit Eiscreme verkleckerte Enkelkind. Am Samstagsstamm im «Bodu» werden keine unanständigen Witze mehr erzählt, sondern nur noch Fötelis angeschaut. Jööh! Das Trudi steigt ins Dampfschiff ein und der Fred sitzt vor einem Teller mit Spaghetti, alles total interessant. Balkonia hat damit begonnen ihre Brille zuhause zu vergessen, klappt nicht immer, irgendwer Hilfsbereiter hat in der Regel eine Lesebrille dabei und Balkonias müssen sich zum hundertsten Mal die Ilse und den Abi vor der Freiheitsstatue anschauen. Der technische Fortschritt hat so seine Tücken, irgendwie waren mir die politisch nicht so korrekten Witze lieber.

Balkonias wünschen allen einen schönen August, macht brav Fotos von der Kugelgrillparty am Ersten dieses Monats – aber schleppt sie nicht mit an den Stammtisch.

Bis bald

Eure Balkonia