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Gastkolumne von Dezember 2000

 Mit den ersten Frostnächten wird es Zeit, die Balkone in eine Landschaft von Christo zu verwandeln. Der Zitronenbaum schimpft zwar wie ein Rohrspatz, als er die Rolle mit der Blöterlifolie auf dem Balkon erblickt, aber seine Drohung nach Sizilien auszuwandern, beeindruckt Balkonia nicht. Kaspar und ich machen uns an die von den Pflanzen so verhasste Arbeit. Während Kaspar sich mit der Folie rumärgert, rede ich beruhigend auf die frostempfindlichen Pflänzli ein. Wir meinen es doch nur gut mit euch, der nächste Frühling kommt bestimmt, wir gehen auch nur noch im Mantel aus dem Haus etc. Das Gegenteil von gut, ist gutgemeint, motzt der Oleander und warum ich und die Glyzine nicht?

Nun sitzen Kaspar und ich bei einem Glas Tessiner Merlot in der geheizten Küche und schauen auf unsere Plastikskulpturen. Vielleicht hat er ja recht, meint Balkonia. Wer? Na, der Oleander natürlich! Und mit jedem Glas mehr, wächst unser Mitleid mit den eingepackten Südländern, die auf dem frostigen Balkon nördlich der Alpen stehen. Und auf welches Thema kommt man da logischerweise? Weihnachtsstern! Ich weiss ja nun nicht, wie Sie es mit diesen aus dem Süden kommenden Pflanzen halten, aber ich liebe sie. So Mitte Adventszeit hat unser Vater jeweils einen angeschleppt. Je grösser desto toll! Der stand dann im Wohnzimmer auf dem Boden, immer am gleichen Platz, nämlich dort, wo er garantiert keinen Durchzug hatte. Im Sommer konnte er dann in den Garten, wo er wuchs und wuchs, jedoch nie zu einer zweiten Blüte kam, da Vater es nicht übers Herz brachte, den armen in Dunkelhaft zu nehmen. So hatten wir immer jene Weihnachtssterne, vor allem nichtblühende, aber eben: Mitte Adventszeit kam dann wieder einer mit diesen dunkelroten Blättern. Und auf diese Winterpflanze, die so gar nicht in unsere Gegend passt, haben wir uns mehr gefreut, als auf den Weihnachtsbaum. Weihnachtssterne waren damals selten. Ich kann mich nicht erinnern, bei Freunden welche gesehen zu haben. Und deshalb weigere ich mich, über diese, lieblos auf jeden Beizentisch gestellten, Weihnachtssternchen herzuziehen. Die sind schlicht bewundernswert. Sie überleben in kleinen Plastiktöpfchen, neben sich überfüllte Aschenbecher, in der Regel kriegen sie zu viel Wasser, sie müssen sich Ausländerwitze anhören oder Gejammer über Steuerrechnungen, keiner mag sie, weil sie überall sind, dabei sind sie ja nicht freiwillig bei uns.

Bis bald, Eure Balkonia