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Gastkolumne von Dezember 2001

 Ist Kaspar zuhause?, wird Balkonia von ihrer Schwester am Telefon gefragt. Ja sag ich und höre noch ein erleichtertes "Gott sei Dank", sie brauche jetzt nämlich einen Inschenjör - dem sei bekanntlich nix zu schwör -; sie müsse nämlich noch drei Couverts frankieren, die noch heute in den Briefkasten müssten. Sie komme vorbei. Balkonias setzen sich an den Tisch und rätseln; entweder ist Vera übergeschnappt oder beim Zimmerdeckenstreichen in Ligornetto von der Leiter gefallen und hat jetzt beide Arme im Gips - bisher war sie schliesslich selbst in der Lage, Briefmarken auf Umschläge zu kleben. Wenn beide ihrer Arme unbrauchbar wären, argumentiert Kaspar, könnte sie auch nicht telefonieren. Doch, doch, das geht schon, meint Balkonia, Bleistift in den Mund nehmen und so wählen. Während wir uns einig werden, dass etwas Furchtbares passiert sein muss, kommt Balkonias Schwester rein, legt drei Briefe und ein Schachteli auf den Tisch. Sie sieht zwar etwas genervt, aber ansonsten gesund aus. Ach, sage ich, hast wohl Probleme den Kodakfilm ins Couvert zu kriegen und schaue mir die gelb-schwarze Schachtel an. Das ist kein Film, werde ich von Vera belehrt, das sind Briefmarken und zwar selbstklebende und die kriege sie nicht aus der Verpackung raus, ohne diese zu beschädigen, was unter keinen Umständen passieren dürfe, weil die Marken sonst nicht mehr selbstklebend und somit nicht mehr komfortabel auf die Briefe gepappt werden könnten. Die Postschalterbeamtin habe ihr beim Verkauf der Marken grinsend viel Glück bei der Montage gewünscht, was sie inzwischen gar nicht lustig finde und jetzt brauche sie ein Glas Wein und einen Ingenieur. Letzterer fummelt bereits an der Schachtel rum und glaubt eine Montageanleitung auf der Packung ausfindig gemacht zu haben und setzt sich seine Lesebrille auf. Da hat es tatsächlich so was wie Buchstaben drauf, frohlockt Kaspar und holt sich seine beleuchtete Lupe aus der Werkstatt. Das kann dauern, denkt sich Balkonia und fängt an ein möglichst aufwändiges Znacht zuzubereiten.

Die Schwarzwurzeln sind fast gar, als ein Freudengeheul aus dem Esszimmer ertönt. Na, habt ihr's geschafft?, freut sich Balkonia und glaubt jetzt den Tisch decken zu können. Die beiden strahlen, sie haben es fertig gekriegt, die Schachtel zu öffnen und im Inneren eine Rolle mit Marken gefunden. Diese Rolle muss jetzt nur noch fachmännisch wieder in ihr Häuschen gelegt werden und zwar so, dass das Band auf dem die Marken kleben durch den Schlitz unten und die sich durch einen Trennmechanismus separierten Wertzeichen durch einem Schlitz oben rauskommen. Wozu verflixt braucht ihr den Englisch Langenscheidts?, frage ich. Oh, erklären mir die beiden geduldig: Schweizer Briefmarken werden jetzt in Australien hergestellt und dort spricht man Englisch und die ins Deutsche übersetzte Gebrauchsanweisung sei derart unverständlich, dass sie es mit dem Original versucht haben, aber zwei oder drei Wörter nicht richtig verstehen. Aha, sag ich, stelle die Herdplatten ab und schau mir die Tagesschau an. Kurz vor den Wetterprognosen kommt Juhuigebrüll aus dem Esszimmer. Es funktioniert, freuen sich die beiden und Vera ist froh, dass sie mehr als einen Brief frankieren muss, weil die erste Ernte aus dem Kästchen zwei Marken ausspuckt. Bleibt nur das Problem, dass die A-Post für den nächsten Tag inzwischen schon weg ist.

In diesem Sinne wünscht Balkonia allen Ihren Besucherinnen und Besuchern eine stressfreie Adventszeit und viel Spass beim Neujahrskarten-Markenkleben.

 

Bis bald, Eure Balkonia