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Gastkolumne: Balkonias Urwaldtipps
Dezember 2004

«Kaum sind die meisten Bewohner der Schweiz sesshaft geworden, leben in Häusern mit Dächern, die in der Regel Regen und Schnee daran hindern auf Betten und andere Wohnungseinrichtungen zu tropfen, haben alle das dringende Bedürfnis Zelte, Brettbuden und klapprige Verkaufsbuden auf Rädern in den Städten und Dörfern aufzustellen um dort Christbaumschmuck, Schnüffelis und Häkeldeckchen zu verkaufen.» Kaspar ist ärgerlich, er habe fast eine halbe Stunde im Stau gestanden und das nicht im Auto, sondern als Fussgänger. Kein Durchkommen mehr in unserer Stadt. Es werden Christbäume aufgestellt, Christchindlimärkte eingerichtet, selbstbeklebte Kerzen werden auf Mäuerchen gestellt und dort zum Verkauf angeboten, gleichzeitig pflügen sich Trichlergruppen lautstark durch die engen Gassen. «Schlimmer als an der Fasnacht», bemerkt Balkonias Liebster erschöpft und durchgefroren. «Ich brau Dir einen Glühwein», biete ich an. Kaspar wird es übel. «Die ganze Stadt stinkt nach dem klebrigen Zeug», meint er und schenkt sich einen Whiskey ein. Wenn Kaspar sich ärgert, dann richtig. Der Advent sei eine Zeit der Stille, so eine Art Ramadan für Christen und kein Jahrmarkt, abgesehen davon hätten wir genügend Verkaufsläden in stabil gebauten Häusern in der Stadt. Und überhaupt: «Wie käme hier noch die Feuerwehr durch, wenn es brennt», fragt er mich. «Brennt aber nicht», antwortet Balkonia lakonisch.

Dieses Jahr kriegen wir noch einen neuen Weihnachtsmarkt geschenkt. Zwanzig Holzbuden auf dem Kapellplatz bieten typisches Weihnachtsbrauchtum aus zwanzig Ländern an. Eigentlich wären auch Israel und Palästina eingeladen worden, die haben aber abgesagt. So bleibt uns nur Schottischer Whiskey und Polnischer Wodka. Jedes Land bringt auch eine Musikkapelle mit damit die Weihnachtsgepflogenheiten aus ihren Ländern auch akustisch rüber kommen. Den toleranten Altstadtbewohnern wurde versprochen, dass der Lärmpegel nicht über 96 Dezibel steigen werde. Beruhigend! Stille Nacht, heilige Nacht und leise rieselt der Schnee.

Balkonias begeben sich in unsere gemütliche Küche, Kaspar öffnet eine Flasche «Primitivo». Kaspar ist wieder friedlich, seine Ohren und die Nase haben wieder die normale blasse Hautfarbe angenommen und er hat aufgehört sich die Hände warm zu reiben. «Bitte bring mir das nächste Mal einen grossen roten Weihnachtsstern mit», bettle ich, ist schliesslich Advent und Weihnachtssterne machen keinen Lärm, sie sind friedlich obwohl ziemlich giftig, aber man muss sie ja nicht essen, sondern nur anschauen und ihnen ab und an etwas Wasser geben und sie an einen zugluftfreien Ort stellen. Kaspar kocht ein Käsefondue, schneidet das Brot und Balkonia deckt den Tisch. Ausnahmsweise wird der Fernseher zum Znacht angeschmissen und wir sehen sprachlos zu wie ein Kandidat aus zwanzig verschiedenen Koffern versucht den auszusuchen, der die Million enthält. Wir haben beide nicht recht begriffen, wie das Spiel geht, fanden es aber ziemlich doof. Die Menschheit ist endgültig dabei zu verblöden, waren wir uns einig und sind früh schlafen gegangen, schliesslich muss Kaspar morgen eine halbe Stunde früher aus dem Haus, diese Zeit braucht er um sich durch die Gassen zu kämpfen.

Balkonias wünschen allen einen wunderschönen Advent, mit grossen Weihnachtssternen, netten Samichläusen und nachsichtigen Schmutzlis. Passt auf, dass die Weihnachtsguezlis nicht anbrennen und seid vor allem friedlich miteinander.

Bis zum nächsten Jahr , Eure Balkonia