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Gastkolumne Februar 2001

 So einmal pro Monat trifft sich Balkonia mit ihrer Schwester zum heiteren Postkartenraten in Gennaros Restaurant. Es werden zwar in letzter Zeit etwas weniger dieser traditionellen, von Hand geschriebenen Postkarten an uns verschickt, aber die, die immer noch kommen, werden immer unleserlicher. Sei's, dass Vera und ich immer weniger Übung im Handschriftenlesen haben, oder, dass niemand mehr im Stande ist, leserlich zu schreiben. Die, die das eingesehen haben, schicken ihre Feriengrüsse jetzt per Mail. Das klingt dann unisono so: Wir sitzen grad im Internetcafe in Honolulu, Wetter prima, herzliche Grüsse, Florence und Patrik. Macht auch Freude. Aber diese bunten Karten, mit im Vordergrund so einer exotischen Pflanze, dann etwas Strand und im Hintergrund ein scheussliches Hotel mit jenen Fenstern (eines ist mit Kuli angekreuzt, damit wir wissen, wo sie schlafen), na ja, das ist schon toller. Aber eben -lesen müsste man sie können.

Wer, fragt meine Schwester, war in Teneriffa und heisst RTM? Zeig mal die Karte, bittet Balkonia. Wie heisst die Frau vom Ruedi? frage ich. Welcher Ruedi? Na der Typograph! Ach der! Wie heisst die bloss? Ach, wie heisst die bloss? Warum ich das wissen wolle. Nun, die waren, soviel ich weiss, über die Festtage in Teneriffa. Geht nicht, meint meine Schwester, die vom Ruedi habe ich bereits identifiziert und schiebt mir eine andere Karte mit ziemlich unleserlicher Unterschrift zu. Das könnte auch Werni heissen, meine ich. Unmöglich und weshalb Werni? Na, der war auch in Teneriffa! Gott sei Dank bieten jetzt unsere Tischnachbarn links und rechts ihre Mithilfe an, was uns einige Runden kostet, aber wirklich hilfreich ist. Der ältere Herr neben mir outet sich nach dem sechsten Einerli als pensionierter Pöstler, aber das Ehepaar auf der anderen Seite ist auch nicht schlecht. Kurz vor der Polizeistunde haben wir fast alle Feriengrüsse im Griff (RTM heisst R+M, Ruedi und Margrit), nur wer ist der andre Ruedi, der auch Werni heissen könnte? Wenn wir ihm noch ein Glas Rotwein offerieren, löse er das Geheimnis, verspricht uns der Expöstler. Wir bezahlen breitwillig. Prost meint er: Die Anschrift stimme nicht, das heisse c weder Vera noch stimme der Nachname, von der Adresse ganz zu schweigen, ob meine Schwester ein Postfach besitze? Haha, all das neumödische Zügs. Imülls (Emails), Computer und Postfächer. Lachhaft! 1911 sei er geboren, falls wir das noch ohne Rechenmaschine ausrechnen können, was er bezweifle, sollen wir mal ausrechnen wie alt er sei, aber eins wisse er, mit dem Aussterben seiner Generation, werde auch die Sitte Postkarten zu verschicken verschwinden. Wäre schade, mir würden diese Rätselabende im Gennaro wirklich fehlen.

Bis bald, Eure Balkonia