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Gastkolumne vom Februar 2002

 Wir Fussgänger unserer schönen Stadt Luzern haben ein paar zusätzliche Meter erobert, die wir zwar mit den Velofahrern teilen müssen, aber daran haben wir uns ja bereits gewöhnt. Nun geht es daran, die neue Fussgängermeile zu gestalten. Es wurde eine Jury aus gescheiten Politikern, Anwohnern, Landschaftsgärtnern und anderen Leuten die "drus" kommen, zusammengestellt und die wurden sich - wen wunderts- schnell einig: Das Projekt, welches nur wenig verändert und somit auch günstig ist, hat gewonnen. Das einfache Volk hatte die Möglichkeit, den Bericht der Jury einzusehen und da liest Balkonia doch folgenden Satz: "Die Projektverfasser verzichten entsprechend ihrer Grundhaltung weitestgehend auf fixe Ausstattungen und Möblierungen, ja entziehen sich sogar mutig den Verlockungen von Dekostadtgrün". Was für ein neues Unwort! Demnächst werden wir in der Zeitung lesen, dass die Stadtbehörde beschlossen hat, das Dekostadtgrün am Quai zu Gunsten von Fahrradwegen zu entsorgen, was die ja bekanntlich vorhaben. Der Apfelbaum des Bauern heisst ab sofort Nutzlandschaftsgrün und die Geranien seiner Frau Dekolandschaftsgrün. Wenn die beiden dann beschliessen, ihr Nutz- und Dekogrün zu fällen respektive auszureissen, dann sind sie mutig und voll im Trend. Der Bauer muss die blöden Äpfel nicht mehr pflücken und die Bäuerin kann morgens gemütlich Zeitung lesen, statt mit Giesskannen ihren Blümchen nachzurennen. Wenn das so weiter geht werden wir in ein paar Jahren keine Stadtgärtnerei mehr haben, sondern nur noch ein Baumfällertrupp.

Liebste Balkonia, lass das, fleht mich Kaspar bei strahlendem Sonnenschein im Tessin an. Ich kann nicht, jammere ich zurück, schliesslich haben mich die Mimosen mit ihrem Duft und Charme um den Verstand gebracht. Das merkt man, sagt mein sonst äusserst verständnisvoller Schatz und erinnert mich daran, dass wir mit der Bahn in den Süden gefahren sind und er nicht gedenke, mit dem Taxi zurückzufahren. Wenn du zwei Tüten und ich zwei trage, geht das schon, schliesslich haben wir kaum Gepäck und dieses hat so Schultertragriemen, argumentiere ich und stecke meine Nase in die gelben Flauschkügelchen. Wir einigen uns auf je einen Papiersack, was bedeutet, dass ich meine vier Pflänzli etwas gedrängt reisen lassen muss. Im Speisewagen befreite ich dann unsere neuen Lieblinge und gab ihnen einen Fensterplatz von dem aus sie einen wunderbaren Duft verbreiten, der den der Küche locker übertraf.. Die Begeisterung des ohnehin muffigen Kellners, hielt sich in Grenzen. Jetzt haben wir sie hier und mit ihnen ist schon ein bisschen Frühling eingezogen. Was doch so ein wenig Dekostubengrün bewirken kann.

 

Bis bald, Eure Balkonia