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Gastkolumne vom Januar 2002

 Was guckst du dauernd in den Nachbarraum?, fragt Balkonia ihren Allerliebsten etwas genervt. Sie, die Nachbarin, telefoniere jetzt schon seit 25 Minuten, er habe auf die Uhr geschaut, antwortet Kaspar. Wir sind hier im Tessin und da gehört Telefonieren auch im Restaurant zum guten Ton, bringe ich Kaspar auf den neusten Stand der Dinge - die beiden hinter dir am Tisch telefonieren auch. Na ja, wenn beide ihr Handy am Ohr haben, mag das ja noch gehen, aber die Langzeitschwätzerin, die er plappern sehe, die sei doch wohl eine Zumutung. Deren Partner langweile sich offensichtlich und sehe von Minute zu Minute hässiger aus und der Kellner wisse nicht, ob er endlich servieren könne, das sei doch keine Esskultur, abgesehen davon seien wir hier in einem gepflegten Chinarestaurant und nicht bei Mac Donalds, meint mein Schätzi, nimmt einen ordentlichen Schluck Wein und verschluckt sich bei einem Lachanfall. Der Kellner habe die Suppe jetzt doch gebracht, prustet Kaspar zwischen Lach- und Hustenattacken los. Sehr komisch, wahnsinnig lustig, bemerke ich und versuche mir vorzustellen, wie psychiatrische Anstalten im Tessin geführt werden und wie Kaspar mit seinen Italienischkenntnissen mit den Ärzten zu Recht kommt. Das Handy war wahnsinnig klein, hustet mir Kaspar entgegen, während ihm die Tränen runterlaufen vor Lachen. So klein, dass es Platz hatte in dem Chinachacheli mit der Suppe, wohin es der Partner der Plaudertasche befördert habe, teilt mir Kaspar mehr oder weniger verständlich mit. Seine Worte wurden insofern immer unverständlicher, weil im Sääli hinter mir ein Tumult losbrach, den ich nur aus Kinofilmen kenne. Da flogen Gläser, Aschenbecher, Suppentassen und ein ziemlich unbrauchbar gewordenes Handy rum, alles unterlegt vom Geschrei und Gezeter der vom Telefonpartner abrupt unterbrochenen Lady. Die beiden jungen Frauen hinter Kaspar haben erschrocken ihre Telefone abgestellt, die Wirtsleute haben die beiden Amoks rausgestellt und es wurde Mucksmäuschen still im Restaurant. Ach ist das gemütlich!, sage ich zu Kaspar. Ja meint er und da klingelt unser Handy auf dem Tisch. Vera und Pietro sind immer noch am Parkplatzsuchen, sie kommen etwas später, wird uns mitgeteilt. Ist doch praktisch, so ein Handy.

Zur Monatspflanze Folgendes: Vor vier Wochen trauten Balkonias ihren Augen nicht - da blühten drei rote Blümchen an einem Baum am Quai in Lugano, drei Kamelien! Das wird ein milder Winter, bemerke ich fachmännisch. Wenn Kamelien hier im Tessin schon Ende November anfangen zu blühen, dann wissen die, dass es eigentlich praktisch schon Frühling ist. Pflanzen irren nie! An diese, meine weisen Worte, wurde ich kürzlich grinsend von Kaspar erinnert. Ich war grad dabei, meine Beine in wollene Strumpfhosen zu stecken, habe dann überall meine Lammfellhandschuhe gesucht, den dicken Schal um den Hals gebunden und das alles nur, um ohne Erfrierungserscheinungen über die Piazza della Reforma ins Chinarestaurant zu gelangen. Arme Kamelien, die haben weder Strumpfhosen noch Handschuhe zur Verfügung.

Allen meinen Leserinnen und Lesern wünsche ich ein ganz tolles neues Jahr, zwei grüne Daumen, Kamelien, die dann blühen, wenn sie sollten und ein friedliches Zusammenleben mit Freunden und Feinden (z.B. Blattläusen).

 

Bis bald, Eure Balkonia