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Gastkolumne: Balkonias Urwaldtipps
Januar 2006

Vor fünf Jahren hat sich Balkonias Schwester ein neues Zuhause im Tessin angeschafft. „Hast du dir das gut überlegt“, habe ich die in solchen Sachen eher Unerfahrene gefragt, „zu diesem Haus gehört ein Garten!“ „Och“ hat Vera gemeint, „den Garten mach ich morgens zwischen Zähneputzen und Kaffeetrinken.“

Balkonia hat sich geduldig belehren lassen, dass nur noch in die Jahre gekommenen Stadtgärtner auf die hirnverbrannte Idee kommen, Lorbeerbäume oder Buchs in Kugelform zu schneiden; Unkraut jäten oder Blattläuse bekämpfen ist eh total vorbei. Verwilderte Gärten seien zeitgemäss, echt gemütlich und überhaupt. Der Rasen kommt weg, da gibt es eine Blümchenwiese, die muss nur zwei Mal pro Jahr gemäht werden und das mit der Sense oder man mietet sich für drei Tage ein paar Schafe.

Wenn Balkonia heute ihre Schwester anruft, läuft das immer gleich ab: „Moment, ich ruf gleich zurück, stehe grad auf der Leiter.“ Vera hat inzwischen eine, davon träumt die Feuerwehr. Alles wird kugelförmig geschnitten, selbst der Eukalyptus am Haus.

„Was, ihr fährt nach Teneriffa? Bring mir bitte seltene Pflanzensamen mit.“ Vor fünf Jahren hätte sie sich noch eine tolle Handtasche gewünscht.

Balkonias sind vergnügt in Teneriffa eingetroffen. Am ersten Tag musste Kaspar arbeiten und ich habe eine kleine Ortschaft im Landesinneren besucht und mich dort auf Samensuche gemacht. Die Auswahl war riesig, aber alles nicht winterresistent. Afrikanische Tulpenbäume mögen es gerne warm, Weihnachtssterne auch. Von Letzteren war die ganze Insel zugepflastert. Weihnachtssterne noch und nöcher, alles war rot, die Eingangshalle im Hotel, sämtliche Blumenkistli auf den Balkonen, die Parkanlagen ebenso wie die Borte der Autobahn.

Gleich breit gestreut wie die Einheitsbepflanzung war die Einheitsmusik. Am Ende von Balkonias Aufenthalt auf Teneriffa haben Kaspar und ich geschätzt, dass es etwa 2507 Varianten von „Jingle Bells“ gibt. Selbst Pavarotti schmetterte den Song in Richtung Frühstücksbüffet. Wir haben eine einzige – ziemlich schmuddelige – Hafenkneipe gefunden ohne Weihnachtsmusik. Dort dröhnte und schepperte ein Popmusiksender Geräusche in unsere Richtung, die uns sofort an unsere gute alte Koschka erinnerten. Im Alter musste sie, die Katze, häufig erbrechen und das hat immer mit „ Mpff, mpf, mhmp, mhmp...“ angefangen. War aber ziemlich rhythmisch. Das Essen in dieser Beiz dort im Hafen war ziemlich grauenhaft aber ohne „Oh Tannenbaum“ und ohne „Jingle Bells“ waren wir echt glücklich.

Balkonias wünschen allen einen guten Rutsch – Rutsch kommt aus dem Jiddischen und heisst auf Deutsch Anfang – ins Neue Jahr und falls der Anfang des Jahres mit Grindweh begonnen hat, soll der Rest des Jahres nur Sonnenschein, gute Musik, nette Nachbarn, tolle neue Freunde und engen Kontakt zu den alten bringen. In diesem Sinne drücke ich Euch allen einen dicken Neujahrskuss auf die Backe.

Liebe Grüsse und bis zum nächsten Jahr

Eure Balkonia