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Gastkolumne: Balkonias Urwaldtipps
Juli 2004

Van Gogh hat sich mit ihnen beschäftigt – in seinen ganz frühen Jahren, bevor er es vorzog, leuchtende Sonnenblumen zu malen, hat er die Kartoffelesser auf einer Leinwand verewigt. Ein Bild das Balkonia unvergessen gespeichert hat. Eine düster braune Bauernstube in der eine kartoffelbraune Familie Kartoffeln isst.

Die Kartoffelesser

Dann die Vorurteile mit den dummen Bauern und ihren grossen Härdöpfeln und dass Kartoffeln dick und dumm machen. Gegen dumm hätte ich zur Zeit nichts, aber Balkonia ist seit zwei Monaten auf Diät und seither wird hier asiatisch gekocht, das heisst Reis.

Nun ist es ja nicht so, dass Kartoffeln dick machen, jedenfalls nicht, wenn wir sie so essen würden wie die van Goghsche Familie, nämlich ohne irgendwelche Zutaten. Aber wer tut das schon. Seit meiner Reisdiät –Balkonia hat drei Kilo abgenommen – träume ich von Kartoffelpuffern. Die Deutsche Küche hat es wie die der Engländer bekanntlich nie geschafft, zu internationalem guten Ruf zu gelangen, selbst das Kochbuch von Helmuth Kohl hat es nicht fertig gekriegt, dass Italiener und Franzosen unstillbare Lust auf Pfälzer Saumagen bekommen hätten. Und Sauerkraut, so wie die Deutschen das kochen, ist auch nicht jedermanns Sache. Aber eines können unsere nördliche Nachbarn: aus Kartoffeln Puffer backen! Die sind ähnlich wie unsere Rösti, die rohen Kartoffeln werden aber feiner gehobelt und mit Eiern und Sauerrahm vermengt, zu kleinen flachen Küchlein geformt und dann in sehr viel Butter knusprig gebraten. Dazu isst man geräucherten Lachs, Sauerrahm und Apfelmus. Klingt schrecklich, schmeckt aber prima. 5000 Kalorien pro Mahlzeit werden garantiert, zufriedene Gäste auch, nur die Köchin oder der Koch stehen unermüdlich in der Küche und backen und backen, die Puffer müssen nämlich frisch aus der Bratpfanne auf den Teller, alles andere schmeckt nicht. Als Kind durfte sich Balkonia zum Geburtstag immer wünschen was es zu essen gibt. War einmal pro Jahr absoluter Stress für unsere Tante Gusti. Härdöpfelstock mit Hacktätschli und Seeli, mag ich auch. Oder Gschwellti mit Chäs. Irgendwie hat Balkonia glaub die Nase voll, Sushi zu rollen und rohen Fisch zu würfeln, jedenfalls hab ich seit der Kalorienzählerei unwahrscheinlich Lust auf eine Portion Pommes frites, möglichst vom Restaurant Bodu, dort macht man die besten der Welt.

Seit etwa zwei Jahren ist es ja mode geworden, dass unsere lieben Grossverteiler die verschiedenen Kartoffelsorten total unübersichtlich mit irgendwelchen Farbpunkten kennzeichnen. Auf einer Tafel, die niemand findet, steht dann, dass die mit dem grünen Punkt für Puree geeignet sind und die roten für Kartoffelsalat. Was für einen Geschmack die Dinger dann haben, ist Kinderüberraschung. Balkonias haben mal eine Sorte erwischt, aus der hätte man mit etwas Lebensmittelfarbe eine wunderbare Rüeblitorte herstellen können, einfach mit der Hälfte Zuckerzugabe. Grauenhafte Kartoffeln waren das, aber nach einer Stunde Kochzeit noch knackig wie ein unreifer Apfel – nur süsser.

Vor ein paar Wochen am Samstagmarkt: „Sind das Türken oder Griechen?“ fragt Kaspar den hübschen Gemüsehändler. „Die sind aus Zypern, ist angeschrieben“ kriegen wir zur Antwort und ich sehe dem Verkäufer an, dass er eigentlich nicht damit gerechnet hat, das wir Analphabeten sind. „Wir bemühen uns politisch korrekt einzukaufen“, erklärt Kaspar dem jungen Mann hinter dem Stand „und möchten wissen, ob es türkischzypriotische oder griechischzypriotische Kartoffeln sind“. Bevor der Junge Zeit hatte, den Irrenarzt anzurufen, haben wir dann ein Pfund gekauft. Waren wunderbare Kartoffeln, wir möchten nur wissen, ob griechische oder türkische.

Balkonia wünscht allen Leserinnen und Lesern eine tolle Ernte unserer Monatspflanze und falls Sie keinen Eigenanbau haben, viel Glück beim Einkauf der Knollen – wirklich gute zu erwischen, ist fast so schön wie ein Sechser im Lotto. Passiert aber Gott sei Dank häufiger.

Bis bald, Eure Balkonia