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Gastkolumne: Balkonias Urwaldtipps
Juli 2006

Unsere Monatspflanze, die Nelke, ist politisch gesehen ja hochinteressant. In der heutigen Gesellschaft aber wird sie oft gleichzeitig genannt mit dem Pudel. Was der Pudel unter Hunden, ist die Nelken unter Blumen: Pflegeleicht, genügsam und ziemlich robust. Hundebesitzer von „richtigen Wauwaus“ haben das Gefühl, dass nur wer dauernd mit dem Staubsauger und Fusselbesen durch die Wohnung hetzt, sein Tier wirklich liebt. Für richtige Liebe muss gelitten werden und zwar richtig. Autositze saugen, Hundedecken waschen, Pullover nur in der gleichen Farbe des Lieblings tragen, diese Probleme kennt die Pudelliebhaberin nicht. Pudel haaren nicht!

Mit Nelken verhält es sich ähnlich. Man stellt sie in die Vase, fertig. Sie haben keine Stacheln, krümeln nicht und halten fast ewig. Überall! Gehen Sie mal vierzehnt Tage nach der Beerdigung ihres Freundes auf den Friedhof  um sich nochmals richtig zu verabschieden. Die einzigen, die Sie dabei etwas trösten sind die blühenden Nelken in den Trauerkränzen, falls es noch Kränze gibt. Balkonias Freund, Mark Steffen, hat testamentarisch bestimmt, dass in seiner Todesanzeige Folgendes zu stehen hat: Statt wohltätiger Institutionen zu gedenken, bringe man reichlich Blumen und Gebinde.

Nelken verharren auch ohne Wasser stundenlang. In Reversknopflöchern von Revolutionären, linken Politikern und neben der Mutter Gottes. Die Nelke war die Symbolblume der Maria. Nelken stehen für Tapferkeit, Kraft und Durchhaltewillen. Schenken Sie Ihrer Angebeteten doch das nächste Mal eine (eine!) Nelke in Cellophan verpackt, statt der üblichen Rose. Falls sie Sie daraufhin verlässt sparen Sie viel Geld. Wäre eh nichts geworden und Scheidungen sind teuer.

Die Gewürznelke hat mit den oben genannten Blumen gar nichts zu tun. Die beiden sind etwa so verwandt wie Äpfel und Bananen. Die Gewürznelke wächst auf Bäumen und war vor Hunderten von Jahren sehr teuer. Die Portugiesen waren die ersten, welche sie nach Europa brachten und es wurde politisch erbittert um das teure Gewürz gekämpft. Franzosen haben dann auf den Molukken ein paar Bäumchen geklaut und in ihren Kolonien eingebuddelt, wo sie prächtig gediehen und noch gedeihen. Heute kriegt man sie in jedem Supermarkt.

Landkarte - die Molukken
Die Molukken, siehe auch: wikitravel.org

Bei der Portugiesische Nelkenrevolution Anfang 19. Jahrhundert jedoch wurde mit Blumen und nicht mit Gewürzen gekämpft. Wäre ziemlich blöd gewesen, Gewürznelken in die Gewehrläufe zu streuen, statt Blumen rein zu stecken dessen Blüten fröhlich dem Geschehen ein ganz besonderes Etwas gaben.

Balkonias wünschen allen einen gemütlichen Juli, tauschen Sie Ihren geliebten Sennenhund gegen einen Pudel ein und kaufen Sie sich nur noch Nelken. Wenn Sie sich dann aus lauter Bequemlichkeit nur noch aus Konservendosen ernähren – ohne Teller, versteht sich – können Sie der heissen Jahreszeit geruhsam entgegen sehen.

Bis bald, Eure Balkonia