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Gastkolumne vom Juni 2000

 Hat ein Sonnenschirmhersteller eigentlich mal selbst versucht, so ein Ungetüm bei nicht unbeschränkten Raumverhältnissen aufzuspannen? Mir ist das heute wieder mal unbeschadet gelungen. Ich habe mir kein Auge ausgestochen, das Mandelbäumchen hat noch alle seine Blättchen, selbst die Zitronen hängen noch am Baum. Die Katzen sind bei dieser Schwerarbeit nie in Gefahr - sie suchen beim Anblick des besagter Schirms unverzüglich ein Plätzchen weit weg vorn Balkon auf -, sicher ist sicher.

Also, der Sonnenschirm ist montiert, eine frisch gebügelte Tischdecke liegt auf dem alten Gartentisch, der Wasserschlauch ist angeschlossen, mit anderen Worten: eine heisse Juni-Mittagspause beginnt. Vor mir die Tageszeitung, ein riesiger Teller Kopfsalat, ein Stückchen Brot, Essig und Olivenöl, Salz und Pfeffer und ein grosses Glas Früchtetee. Im weinroten Tee knacken die Eiswürfel noch, das Glas beschlägt sich, ich schlage die Zeitung auf und will mir einen Schluck genehmigen, als sich vorerst die Glyzinie einmischt. Sie ist wütend. So im Stil "Du trinkst hier und ich kriege nichts". Ich versuche es ihr zu erklären: "In sämtlichen Gartenbüchern steht: Mittags nie!" Der Ginster hinter mir mischt sich jetzt auch ein: "Scheiss-Gartenbücher, ich habe Durst." Die anderen drei Männer in meinem Urwald geben ihm Recht, wobei der Basilikum um eine gepflegtere Ausdrucksweise bittet. Die Rosen sagen nichts, sie schauen nur so unerträglich leidend. Mir vergeht der Durst. ich verstehe ab sofort jede Mutter, die ihrem quengelnden Kind im Supermarkt Gummibärchen kauft. Ich verstehe meinen Schatz, der es seiner ungezogener Katze erlaubt, dass sie sich friedlich auf seinem Schoss räkelt, obwohl die schwarze Hose gerade aus der Reinigung kam, ich verstehe Hundebesitzer die es herzig finden, dass ihr Liebling grad die Bally-Schuhe anknabbert. Ich verstehe jeden Antiautoritärerziehenden und melde mich, in diesem Verein an.

Dies schrieb ich vor Jahren. Seither kriegen meine Pflanzen Wasser soviel sie wollen und wann immer. Logisch nicht auf die Blätter, aber in den Topf. Sie danken es mir, indem sie prächtig gedeihen und mich in Ruhe zu Mittag essen lassen. 

Viele liebe Grüsse, Ihre Balkonia