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Gastkolumne: Balkonias Urwaldtipps
Juni 2005

„Liebste Balkonia“ werde ich von Kaspar gefragt, „hast du nicht auch das Gefühle, dass sich Koschka einsam fühlt?“

Ich schau mir unsere alte etwas klapprig gewordene Katze an. Sie liegt grad auf der Kopflehne von Kaspars Sofa und schnurrt diesem friedlich ins rechte Ohr. Einen sehr unglücklichen Eindruck macht sie eigentlich nicht auf mich aber von Katzen verstehe ich ja bekanntlich nicht viel.

„Weisst du, ein Gschpänli wirkt wahrscheinlich wie eine Verjüngungskur für die gute Alte“, argumentiert Balkonias liebster Katzennarr. Kaspar öffnet eine Flasche Rotwein, Koschka kriegt eine Portion Schlagrahm, meine Lieblingsplatte von Leonard Cohen wird aufgelegt und die Kerzen werden angezündet. Kaminfeuer brennt schon, richtig gemütlich! In dieser Stimmung würde ich mich überschwatzen lassen, einen süssen kleinen Elefanten in unserer Wohngemeinschaft aufzunehmen. Ein niedliches Büsi sowieso. Ein wenig bei Verstand war ich aber schon noch!

„Keine Bauernkatze.“ „Weshalb nicht?“ „Eine Mieze, die durch Wiesen und Wälder streifen konnte, würde unglücklich in einer Stadtwohnung ohne Mäuse und Eidechsen und was die sonst so fangen.“ Das leuchtet Kaspar ein.

„Und keine Rassenreine, die sind dauernd krank und ticken meist nicht richtig“, schraube ich meine Bedingungen ziemlich hoch. “Und schön muss sie sein, mindestens so schön wie Koschka.“ Unsere Koschka ist so eine Arte Claudia Schiffer unter den Katzen: langhaarig, lieb und irgendwie nicht ganz von dieser Welt.

Zwei Tage später bittet mich Kaspar auf die Gasse. Dort steht ein Taxi bereit, es regnet in Strömen und um mich bei Laune zu halten, wird Balkonia chauffiert. Auf der kurzen Fahrt sagt Kaspar, dass Erwin meinte, die Katzen seien schön. Erwin Schürch ist Kunstmaler, Balkonias haben ein paar Werke von ihm hier hängen. Wer derart schöne Bilder malen kann, kann auch beurteilen, ob eine Katze gut aussieht. Ich bin beruhigt.

Der Schock war gewaltig: die helle sieht total besoffen aus und die dunkle eignet sich prima als Hauptdarstellerin für einen Katzen-Gruselfilm. Die Betrunkene legt sich sofort auf Kaspars Schoss, der Zombie wird mir liebevoll in den Arm gelegt. Sie schnurrt augenblicklich, leckt mir den Daumennagel ab und zieht ein paar Fäden aus meinem Lieblingspulli. Balkonia schmilzt dahin, verliebt sich unsterblich in eine hässliche, kleine, gefleckte Katze und schaut zu ihrem Kaspar rüber, der mit verklärtem Blick die Alkoholikerin streichelt. „Welche nehmen wir?“, frage ich Blicken.

„Wir nehmen beide“, entscheidet Kaspar. Marlene, die menschliche Katzenmutter, öffnet die Flasche Wein, die wir mitgebracht haben und wir verhandeln über den Liefertermin. Kurz vor Pfingsten durften wir sie holen. Kaspar hat sich ein paar Tage frei genommen und seither bewegt er sich nur noch auf allen Vieren durch die Wohnung, kramt unermüdlich Katzenspielzeug unter dem Sofa raus, unser Wohnzimmer sieht aus wie ein antiautoritär geführter Kinderladen aus den 68igern unter der Führung von Rudi Dutschke und Fritz Teufel. Die Begeisterung von Koschka hält sich – milde ausgedrückt – in Grenzen, aber sie knurrt und faucht inzwischen nur noch so ein- bis zweimal pro Stunde.

Jetzt ist Kaspar wieder Vorstand eines Vierfrauenhaushalts, er wird total unterdrückt, geht brav Katzenfutter einkaufen und schleppt Katzensand an, macht aber einen sehr zufriedenen Eindruck. Balkonia hat gelernt, wie man die Fernbedienung vom Radio bedient, Kaspar kommt an die nicht mehr ran, er sitzt unbeweglich auf dem Sofa mit je einer Mieze auf den Oberschenkeln und ist ziemlich handlungsunfähig, weil belagert. Wortwörtlich!

Balkonias wünschen allen einen wunderschönen Juni mit viel, viel Streicheleinheiten und ein paar wenigen kleinen aber lieb gemeinten Kratzern, egal ob sie von schönen oder weniger schönen Katzen oder Mitmenschen kommen.

Bis bald

Eure Balkonia