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Gastkolumne: Balkonias Urwaldtipps
März 2004

«Schau mal Balkonia, das wäre praktisch!» Kaspar schiebt mir den Versandhauskatalog rüber und zeigt auf ein klapprig aussehendes Gestell auf Rädern. Auf meinen fragenden Blick, wozu so was praktisch sein könnte, ¨meinte er nur, dass er es leid sei jeden Vormittag zwei Kaffeetassen auf dem rutschigen und verbeulten Silbertablett von Balkonias Urgrossmutter in den Lift zu balancieren, das wie ein geübter Kellner, in der linken Hand das Servierbrett, die rechte brauche es für die Knöpfe des Aufzugs. Da wäre so ein Servierboy doch wahnsinnig gäbig. Abgesehen davon sei das ein Designermodell und stehe im Museum of modern Art in New York. Nun ist ausschliesslich Kaspar für den Kaffeetransport von der zweiten in die vierte Etage zuständig und darf selber bestimmen, wie er das bewerkstelligt ohne sich dauernd zu bekleckern. Er schreibt also die dreissigstellige Artikelnummer ins Bestellformular und Balkonia darf wünschen ob die neue Errungenschaft in der Farbe weiss oder schwarze geliefert werden soll. Auf dem Foto im Katalog sieht man die beiden nebeneinander, der schwarze ist leer, auf dem weissen steht ein hübscher Champagnerkühler, sechs Cupligläser und eine Schale mit Salznüssen. Da fällt die Wahl leicht und ich blättere noch etwas in der Broschüre rum, stosse auf ein Bild mit Hochglanzsatinbettwäsche und überlasse Kaspar grosszügig die Wahl der Farbe.

Zwei Tage später bringt der Pöstler eine sperrige und eine handliche Kartonschachtel und Kaspar macht sich ans Auspacken während Balkonia den Champagner in den Eiskübel packt und zwei elegante sehr hohe Gläser in der Küche bereit stellt. Praktischerweise müssen Balkonias ja ab sofort nichts mehr von Hand transportieren, sondern können alles bequem auf Rollen durch die Wohnung schieben. Die Räder unserer neuen Haushalthilfe sind klein und schmal, blöderweise genau so schmal, wie die Fugen von unserem Klinkerboden. Dieser Bodenbelag wurde wahrscheinlich darum gelegt, damit sich der Altstadtbewohner auch in seinen eigenen vier Wänden genau so wohl fühlt wie draussen auf den Kopfsteinpflastern. Kaspar schüttelt den Wagen in die Küche und wir beschliessen es erst mal nur mit dem recht stabilen Eisbehälter zu versuchen, die zwei Gläser kann man ja auch von Hand tragen. Balkonias Fliesen sind quer zum Wohnraum verlegt, da drängt es sich auf, das Zimmer im Zickzack zu befahren, zwei Rädchen in der Fuge, die anderen tacktack. Das Wendemanöver hat mich an die ersten Skistunden erinnert, da haben wir geübt und geübt, nur damit die Spitzen der Bretter wieder in die andere Richtung zeigten, irgendwie kamen einem auch die Stöcke dauernd in den Weg. Dieses Problem haben wir hier wenigsten nicht. „Wir könnten einen Teppichläufer legen“ meint die praktisch veranlagte Balkonia. Bei der Vorstellung wird es Kaspar schwindlig und er übt tapfer weiter. In Kenia habe er gelernt, dass man den Geländewagen möglichst schnell über holpriges Gelände fahren müsse, dann schüttelt es weniger. „Aber bitte ohne Gläser drauf“ bitte ich, als er Anlauf nimmt.

Ziemlich erschöpft haben wir uns dann in die neue Bettwäsche gelegt und versucht, auch dort zu bleiben. „Schläfst du schon?“ flüstere ich und kralle mich ins Fixleintuch, das dummerweise auch aus Hochglanzsatin ist. „Nein“ meint Kaspar, „aber erinnerst du dich an die Sendung namens „Spiel ohne Grenzen“?“ Fast eine Stunde haben wir versucht, Decken, Kissen und uns selbst auf der Matratze zu halten. Gar nicht einfach in einem Wasserbett, das ja auch seine eigene Dynamik hat. Dann haben wir aufgegeben, uns ins Gästebett gelegt, von Schmierseife, Flanellbettwäsche und rutschigen Skihängen geträumt und ansonsten prima geschlafen.

Was lernen wir aus dieser Geschichte? Neuanschaffungen haben ihre Tücken und es ist nicht alles bequem was glänzt.

Ich wünsche allen einen sonnigen März, Flavia viel Spass mit der neuen Katze, die sie gefunden hat –oder umgekehrt.

Eure Balkonia, bis bald