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Gastkolumne Mai 2003

Die Osterzeit verbringen Balkonias in Florenz und dies haben wir bereits Wochen vorher bis ins kleinste Detail vorbereitet. Der Platz im Speisewagen ist reserviert, der «Merian» und «Guide Michelin» wurden genau studiert, das Hotel, welches so toll auf dem bunten Prospekt des Reisebüros aussah und gemäss Stadtplan in der Fussgängerzone liegt, fanden wir beide für uns besonders geeignet – Kaspar hatten es vor allem die spärlich bekleideten Badenixen, die sich auf Liegestühlen am Pool räkeln angetan; Balkonia fand vor allem die Lage des Hauses perfekt: Fussgängerzone! Nun sind wir ja beide nicht völlig blauäugig, leben wir schliesslich auch in einer Touristenstadt mit so ein paar autofreien Strassen, welche morgens vollgestopft sind mit Lastwagen und ansonsten von uns Einheimischen mit Rollbrett- und Velofahrern brüderlich geteilt werden.

Gut gelaunt und etwas angesäuselt – sieben Stunden Speisewagen – erreichen wir am frühen Nachmittag Florenz. «Croce di Malta», sagt Balkonia in perfektem Italienisch dem Taxifahrer, der grinst und fährt uns für sieben Euro die fünfzig Meter zum Hotel. Balkonia wundert sich etwas über den regen Autoverkehr, aber vielleicht fängt die Fussgängerzone ja erst etwas weiter hinten an. Wir kriegen ein prima Zimmer in dem wir uns sofort wie zuhause fühlen, hat es doch den gleichen Parkettboden mit den gleichen Wasserschäden, wie bei uns. Wenn man dort mit nackten Füssen drauftritt, bleiben in der Regel ein bis zwei Hölzli an der Sohle kleben und wenn man dann wieder auftritt, klemmt man sich etwas Haut ein. Aua! In Luzern haben wir diese Schäden vor den Balkontüren, in Florenz vor dem Bad und wie zuhause lege ich nach dem ersten Aua ein grosses Badetuch über die nicht mehr angeklebten Parkettstückchen. Dieses Tuch wird zwei Mal täglich (Viersternehotel) liebevoll vom Zimmermädchen entfernt. Zum Zimmer gehört auch ein riesiger unbepflanzter Balkon mit Sicht auf den verwilderten Garten mit Pool (3x4 Meter, ohne blutte Frauen).

Lass uns gemütlich durch die Stadt schlendern, bittet Balkonia und wir ziehen los. Wo ist denn nun die Fussgängerzone, schreie ich Kaspar zu, während wir links und rechts von Vespas überholt werden? Wir befinden uns bereits in ihr, brüllt er zurück, ist angeschrieben «Zona pedoni». Na prima, denk ich und versuche mich vor von zwei Verrückten gesteuerten Taxis aufs Trottoir zu retten, was nicht geht, weil dort lauter – wahrscheinlich von Greenpeace – angekettete Verlos und Töffs stehen. Achtung! Schreit Kaspar und zerrt mich zwischen zwei parkierte Autos, während hinter mir ein Kleinbus vorbeidonnert. Du hast mir das Leben gerettet, sagt Balkonia dankbar und wir erblicken eine kleine Gasse in der die Gasleitungen ausgebuddelt werden. Wir drängeln uns an lärmenden Baumaschinen vorbei und erreichen einen wunderschönen grossen Platz mit vielen Restaurants, die Gartensitzplätze hinter hüfthohen Zäunen und somit sicher vor dem Verkehr.

Ein paar Pferdekutschen stehen rum und warten auf Touristen, der Kellner bringt uns zwei Glas kühlen Wein und eine Schale mit Oliven. Ein Grossvater füttert mit seinem Enkel Tauben mit altem Brot. So alle paar Minuten rast ein Fahrzeug vorbei. Die Tauben fliegen fort, Opa und der Kleine drängen sich an den Restaurantzaun. Kaum ist das Auto weg geht die Fütterei weiter. Doch dann kommt ein sehr teuer aussehender Wagen mit Schweizer Nummernschild. Im Schritttempo! Fast lautlos. Der Alte sieht’s und zerrt seinen Enkel vom Platz. Bis auf die wahrscheinlich taube Taube flattern die Vögel davon. Die Gehörlose erwischt es. Sie ist sofort tot. Das Kind heult, der Grossvater tröstet, die Kutscher reden und lachen weiter, wie wenn nichts geschehen wäre, eine sehr schöne Polizistin mit langen blonden Haaren widmet sich aufmerksam den Parkbewilligungen hinter den Windschutzscheiben der Autos, die überall rumstehen und geht wieder weg.

Die Tote bleibt liegen, wir wollen bezahlen, aber der Kellner schaut überall hin, nur nicht in unsere Richtung, weil hinter uns, da liegt das tote Tier. Ein Täuberich kommt und vögelt die Leiche. Hellgraue Daunen wehen über das Kopfsteinpflaster und Balkonias wird’s übel. Als sich der zweite Taubenmann, der in die Nähe kommt, ebenfalls als Leichenschänder entpuppt, legen wir einen wahrscheinlich viel zu hohen Geldbetrag auf den Tisch und fliehen vom Platz. Und, was haben wir aus dieser Sache gelernt? Männliche Vögel sind Schweine und Schritttempo ist auch nicht für alle gut. In diesem Sinne und bis bald,

 

Eure Balkonia