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Gastkolumne Oktober 2001

 So zwei- dreimal jährlich fährt Balkonia Auto. Ende September war es mal wieder so weit, Balkonia geht Marie-Therese besuchen. Diese betreibt mit ihrem Mann einen wunderschönen Bauernhof in Sigigen. Sigigen wiederum liegt, wie der Berliner sagt, jott we de (j.w.d.=janz weit draussen) - mit öffentlichem Verkehr unmöglich zu erreichen.

Ich mache mich also auf den Weg zu unserem Parkhausplatz, finde auf Anhieb unseren Wagen und kriege den sogar sofort mit der Fernbedienung auf. Glücklicherweise sind Kaspar und Balkonia etwa gleich gross, womit Stühle- und Spiegelrücken im Auto entfällt. Der Motor springt an und eine freundliche Frauenstimme teilt mir mit: "Sie haben ihr Ziel erreicht". Schön wär's, denke ich und lenke den Wagen aus der Garage. Nachdem ich mich ziemlich gekonnt in den Verkehr eingefädelt habe, bittet mich die freundliche Damenstimme: "Wenn möglich bitte wenden". Das empfiehlt sie mir auch auf der Autobahn, womit ich mir endlich die vielen Geisterfahrer erklären kann. Auf der Brücke nach der Autobahnausfahrt wieder diese Stimme: "Jetzt links abbiegen", ich will aber geradeaus. Nach dem dritten "bitte wenden", rufe ich entnervt Kaspar an. Stell einfach das Radio aus, dann hört das auf, empfiehlt er mir. Ich will aber Radio hören, ein Irrer hat in Zug soeben die halbe Regierung umgebracht und das kommt grad am Radio. Kaspar, der an der Orbit und somit von computerfremden News abgeschirmt ist, hat jetzt diese "Balkonia-ist-etwas-überspannt-Stimme". Ich spinne nicht, ich halte jetzt mein Handy an den Lautsprecher, dann kannst du die Meldung selbst hören, sage ich, tue das und gebe mich geschlagen. Aus dem Apparat säuselt es liebevoll: "ihre Route wird neu berechnet". Auf dem Display des Radios erscheint die Meldung, dass ich mich tausendzweihundert Kilometer vom gewünschten Ziel entfernt befinde.

Auf dem Hof "Chuterhüsli" werde ich freudig vom Hofhund begrüsst. Er hat den Rumpf eines Dürrbächlers und die Beinchen eines Dackels. Überall blüht es, Marie-Therese schüttelt mit einem langen Stab grüne Walnüsse vom Baum, die wir einsammeln. Anschliessend rücken wir die alte Holzbank an die Altweibersommersonne, trinken Kaffee und essen den hausgemachten Apfelkuchen, weit entfernt am Waldrand äsen ein paar Rehe, die Katzen streichen uns um die Beine, selbst die Wespen scheinen mir hier friedlich zu sein. Der Blaupunktnavigator hat wahrscheinlich doch Recht, wir befinden uns tausendzweihundert Kilometer weit weg von jeglicher Hektik und Millionen von Kilometern entfernt von Terroranschlägen.

Bis bald und auf gut zusammen Kirschenessen, Eure Balkonia

 

Viel liebe Grüsse und bis bald, Eure Balkonia