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Gastkolumne: Balkonias Urwaldtipps
Dezember 2002

Vor Feiertagen füllen sie mehr Spalten als sonst. Die Rede ist von Kontaktanzeigen. Balkonia liest sie alle, jedenfalls alle unter der Rubrik «Mann sucht Frau». Nicht, dass ich auf der Suche nach einem neuen Mann wäre, aber es ist doch interessant zu wissen, was für tolle Exemplare auf dem Markt erhältlich wären. Erstaunlich für Balkonia ist vor allem, wie kulturbeflissen diese einsamen maskulinen Herzen alle sind. Unsere Theater- und Konzertsäle müssten theoretisch allesamt dauernd von männlichen Singles überrannt werden, es sei denn, diese stürmen gerade die Museen. Nachher sitzen sie dann gerne gemütlich bei einem Glas Rotwein und essen etwas in gepflegter Atmosphäre. Velofahren und Wandern tun sie auch alle sehr sehr gerne, überhaupt sind sie fit und sehen in der Regel viel jünger aus als sie sind – was ihnen von ihren Freunden regelmässig bestätigt wird. Falls das Wetter Freiluftübungen zur Qual werden lässt, lesen sie gerne gute Bücher. Zum Leidwesen der Tabakindustrie, sind fast alle Nichtraucher. Zur Freude der Kirche sind viele Katholiken, jedenfalls hier in Luzern.

Ganz schlimm, stellt sich Balkonia eine Partnerschaft mit denen vor, die jemanden suchen um gemeinsam Pferde zu stehlen. Was soll ich mit einem Ross auf dem Balkon? Na ja, jedenfalls hat Balkonia kürzlich in einer Zeitung ein Interview mit unserem halben Bundesrat Samuel Schmid gelesen. Dort wurde unser Sämi nach seinen Hobbys befragt. Hobbys?, fragt der verständnislos den Reporter. Nun ja, bohrt dieser weiter, was tun sie gerne, wenn sie abends etwas müde und eventuell gefrustet nach Hause kommen, um sich zu entspannen? Ich gehe Wandern, jedenfalls wenn das Wetter einigermassen mitmacht, meint Herr Schmid und, ach ja doch, ich schiesse gerne, das entspannt mich. Schiessen ist mein Hobby. Nun, liebe Freundin, stellen Sie sich vor, dass Sie sich einen neuen Mann unter den Weihnachtsbaum wünschen und der Meinung sind, am ringsten suche ich mir ihn unter Kontaktanzeigen. Sämi würde – obwohl Politiker – ein ganz ehrliches Inserat aufgeben: «Mann in den besten Jahren, beruflich halbwegs anerkannt, etwas rundlich, Hobbys: Wandern und Schiessen.»

Ein zukünftiges Zusammenleben stellen Sie sich mit so einem Mann doch folgendermassen vor: Freitag Abend kommt er ziemlich entnervt von der Arbeit heim. Draussen schneit und stürmt es. Ihre neue Liebe geht zum Waffenschrank, nimmt sich ein Gewehr, öffnet die Tür zum Küchenbalkon und ballert wie blöd in der Gegend rum, während am Fernsehen grad XY unbekannte Mörder gesucht werden. Nee, sagen Sie sich doch, da nehme ich mir besser so einen Kulturheini, wenn der mit einer miesen Laune am Freitag ankommt, tönt das folgender Massen: «Liebling, ich hatte einen anstrengenden Tag, hör bitte mit der Kocherei auf, ich habe eh keine Lust auf Jägerschnitzel, lass uns ins Konzert gehen und anschliessend gediegen beim Italiener essen.» Wenn wir dann wieder zu Hause sind, wird er ein Kaminfeuer entfachen und mir Liebesgedichte von Erich Fried vorlesen. Toll!

Wie immer Sie sich entscheiden, ich wünsche allen ein friedliches und gemütliches Weihnachtsfest, am besten im Kreis Ihrer alten Freunde, egal ob die am liebsten auf den Christbaum schiessen oder diesen liebevoll mit geschmackvollen Lamettafäden verunstalten.

Bis nächstes Jahr, also bis bald
Eure Balkonia