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Gastkolumne: Balkonias Urwaldtipps
Juni 2008

Anfang Text Kolumne„Liebste Balkonia, öffne bitte augenblicklich eine Flasche von unserem Rotwein, setzt dich hin, stosse mit mir an und frag was ganz Normales.“

So kenne ich meinen Kaspar eigentlich nicht, der wirkt irgendwie verstört. Dass er sich LEGO-Steine wünscht, zu seinem nächsten Geburtstag, beruhigt mich auch nicht sonderlich. Er hat den ganzen Tag in Zürich in einer sehr grossen Firma – bei einem seiner Kunden – gearbeitet, dort war er auch schon ab und zu, ist aber immer völlig normal nachhause gekommen.

„Na, wie war es heute? Alles in Ordnung?“ Was viel Blöderes hätte ich kaum fragen können. Statt dass er mir antwortet, legt er sich seine Lieblingskatze auf den Schoss, krault sie hinter den Ohren und nennt sie Panini, woraufhin die zu schnurren anfängt, was Kaspar in Rage bringt. Er versucht das gleiche mit der anderen Katze und wirkt sehr zufrieden, als die ihn beisst, bloss weil er sie Panini nennt. Balkonia überlegt sich inzwischen, ob es möglich wäre, abends um sieben einen guten Psychiater aufzutreiben. Nach dem ersten Glas Wein verarztet Kaspar seine Bisswunde und teilt mir mit, dass er während der acht Stunden Arbeitszeit in Zürich nichts, aber auch gar nichts erreicht habe. Der Chefbuchhalter, den er zur Mithilfe benötigt hätte, sei ununterbrochen telefonisch und computerisch abwesend gewesen und das nur um Panini-Bildchen zu ersteigern, resp. zu verkaufen. Der Chefbuchhalter ist im Erwachsenenalter!

„Kannst du dich an den Roman vom Grass erinnern, die Blechtrommel? Da wollte Klein-Oskar auch nicht erwachsen werden.“ Kaspar erinnert sich vor allem an die Szene mit dem Brausepulver im Bauchnabel des Kindermädchens von Oskarchen. War Waldmeisterbrause. Balkonia hat diesen Abschnitt des Buches erst Jahre nach der Erstausgabe gelesen, die Seiten waren sauber aus dem Buch geschnitten worden, zusammengelegt und in Schillers Glocke versteckt worden, das alles nur um die pubertierende Balkonia vor solcher Pornographie zu bewahren. Das waren noch Zeiten! Balkonia gibt es zu, ich habe Winnetou-Bilder gesammelt, die gab es zu jedem Pausebrötli in der Bäckerei. Damals war ich elf Jahre alt. Heute outen sich erwachsene Politiker, dass sie im Moment eigentlich nur ein Ziel vor Augen haben, nämlich das Paninialbum voll zu kriegen. Ist wahrscheinlich vernünftiger, dass solche Oskarchen Bildli von Fussballern sammeln, als dass sie sich um Einbürgerungspolitik kümmern. Bei Buchhaltern ist das was anderes, die sollen am Arbeitsplatz gefälligst Zahlen biegen, früher haben die das auch gekonnt und sind erst abends oder am Wochenende auf die Idee gekommen ihre Briefmarkensammlung in Ordnung zu halten.

Balkonias wünschen allen einen friedlichen Juni, versucht das wirklich mal mit der Waldmeisterbowle, in Balkonias Elternhaus wurde die aus Gläsern getrunken, frisch zubereitet und nicht aus Brausepulver und im Nabel serviert, was scheint’s auch Spass machen kann.EndeText  Kolumne

Bis bald, Eure Balkonianach oben