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Gastkolumne vom September 2001

 Eigentlich, meint eine völlig erschöpfte Balkonia, haben Marlies und Patrik das richtig gemacht mit ihrer Terrasse. Das sind die mit den Steinen?, fragt mich Kaspar und er hat diesen "inwelchepsychiatrischeanstaltmussichbalkoniaeinweisen" Blick aufgesetzt. Ja, genau die, antworte ich. Marlies konnte heute wahrscheinlich gemütlich am Schatten liegen, ein Buch lesen und sich von einem Ventilator Kühlung anwehen lassen, während Balkonia den ganzen Tag von ihren Pflanzen angemotzt wurde. Mehr Schatten, ein bisschen Wind und Wasser, Wasser, Wasser. Das habe ich den ganzen Tag meinen verwöhnten Blümchen angeschleppt und was kriege ich als Dank? Die Datura hat mir die Zunge rausgestreckt! Daturas haben keine Zungen, meint Kaspar. Auf deutsch heissen Daturas Engelstrompeten, belehre ich Kaspar, und die haben Engels(trompeten)zungen und die hat sie mir rausgestreckt. Kaspar ist friedlich gestimmt und bringt uns kühlen Rotwein und ein paar Stückchen Parmesan, aber zu einer Terrasse, die nur mit Steinen gestaltet wurde, kann ich ihn nicht überreden, obwohl die Vorteile auf der Hand liegen. Nein, meint er, diese schicken Gärten mit nur Beton und polierten Steinen, die designermässig am richtigen Ort liegen mag er nicht. Abgesehen davon erinnern ihn die Steinen an eine Sportart, die im Winter von Männern mit Ohrenwärmern auf dem Kopf und Besen in den Händen ausgeübt werde. Ich gebe es auf, stecke meine Nase in eine Blüte der Datura und gebe Kaspar recht -Steine riechen nicht so gut.

Jetzt gibt es sie wieder, diese schönen grossen Artischocken aus Frankreich. Ich kaufe eine für uns beide, breche den Stiel ab - bitte schneiden Sie den Stiel nie ab, weil sonst die harten Fäden im Boden bleibe -, und schneide mit einem Brotmesser die Frucht in zwei Hälften. Die Schnittfläche wird sofort mit Zitronensaft beträufelt. Dann pule ich mit einem Kaffeelöffel die feinen Härchen vom Artischockenboden und dieser wird wieder mit Zitronensaft eingerieben, damit er nicht schwarz wird. Kaspar hat unterdessen eine Essigreduktion gemacht - wir mögen Artischocken mit einer Sc. Hollandaise - die Butter schmilzt im Backofen, das Gemüse wird im Salzwasser weichgekocht (dauert etwa 20 Minuten), Kaspar rührt die Eigelb mit dem Essig und einem Löffel Wasser schaumig und lässt dann geduldig den flüssigen Anken Tropfen für Tropfen in die Sauce laufen. Das passiert logischerweise alles im Wasserbad. Balkonia deckt den Balkontisch und freut sich, dass dort Pflanzen wachsen und keine Designersteine rumliegen.

Bis bald, Eure Balkonia