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Gastkolumne: Balkonias Urwaldtipps
Dezember 2007

Anfang Text Kolumne „Hallo Balkonia“, werde ich von einer jammerden Vera und ihrem Lebensdauergenossen begrüsst. Der schaut drein, wie wenn er stundenlang verprügelt wurde. Echt leidend! Die beiden sind anlässlich einer Buchvernissage in Luzern und bei ihrer Abfahrt aus dem Tessin klangen sie am Telefon noch total vergnügt. Vorsichtig versuchen Balkonias rauszukriegen, was denn so Schlimmes passiert ist.

„Wir haben ein Vermögen auf den Komposthaufen gekippt“. Ziemlich trübsinnig erklärt mir Vera, dass sie – wie jedes Jahr – unter Einsatz ihres Lebens auf die Palmen geklettert sei, Pietro und ein paar Nachbarn unten mit Sprungtuch. Sicher ist sicher. Oben eine unter Höhenangst Leidende mit Baumschere um die traubenähnlichen Samenstränge der Palme zu entsorgen. Wenn die von selbst runterfallen und wer draufsteht, gibt das Flecken, egal ob Rasen, Kiesweg oder Kopfsteinpflaster. Was im Tessin im Kompost landet,  wird in Luzern teuer verkauf. Und zwar am Weihnachts-Handwerkermarkt. „Für ein Zweiglein verlangen die fünfunddreissig Franken, das Zeug wird als Glücksbringer verhökert, dazu ein Mistelzweig für sechs Franken pro hundert Gramm und der Verkäufer garantiert friedliche Festtage, wenn das Ganze an die Zimmerdeckenbeleuchtung gehängt wird.“  Die beiden beschliessen nächstes Jahr einen Weihnachtsstand zu betreiben um dort ihren Gartenmüll zu verkaufen. Falls hundert Idioten täglich ein Sträusschen kaufen, sollte ein neuer Fiat 500 so gäbig finanziert werden, haben sie sich ausgerechnet.

Wie gesagt, es ist Advent und alle Plätze in der Stadt werden mit heimeligen Holzhäuschen verstellt, damit die Marktfahrer aus Appenzell Inner- und  Ausserrhoden unnütze Dinge verkaufen können. Ausser Mistelzweige und Palmenkügelchen ist das Angebot etwa gleich wie an den Ständen vor der Fasnacht, vor Ostern, am Altstadtfest und anderen Gelegenheiten. Eins allerdings unterscheidet sich aber sehr von Kilbi, Fasnacht und Jodlerfest: Es riecht weder nach Kafischnaps noch nach Bier, weil in die angedepperten Thermoskrüge Glühwein gekippt wird. Er gilt als Hauptmotiv für den Weihnachtsmarktbesuch: Nichts schmeckt besser zur Chinapfanne oder Bratwurst als heisser, mit viel Zucker und Weihnachtsaroma angereicherter „Kalterersee Auslese“. Der klebrige Fusel hebt die Laune und nach dem fünften Glas erträgt man auch die Weihnachtsmusik und übersieht grosszügig die Glühweinflecken auf dem neuen Wintermantel.  

Balkonias gehen auswärts essen und kriegen so einen hübschen kleinen Tisch zugeteilt. Ohne Weihnachtssterne – die sind zurzeit verpönt. Statt dessen ein schmuckes Chörbli mit Palmenkügelchen, Stroh und Strandgut aus der Adria. Die Bedienung bringt uns noch ein Tellerchen mit Misteln und Stechpalmen, in der Mitte liebevoll eine Kerze in den Knetgummi gestellt. Wir kriegen riesige Wein- und Speisekarten, Stoffservietten in Schwanenform, eine Schale mit Amuse Bouche (getrocknete Tomaten und Oliven) und einen Aschenbecher. Jetzt ist der Tisch voll, Kaspar hat mit der Weinkarte die Kerze umgekippt und Balkonia hat Wachsflecken auf der Hose. Im Angebot gibt es ein Weihnachtsmenu mit dem Namen „Sehnsucht“ und einen Viergänger namens „Adventskranz“. Unauffällig verlassen wir das gemütliche Restaurant, klettern runter an die Reuss und kaufen uns dort bei Fritz eine Tüte heissi Maroni. Zuhause legen wir Paolo Conte auf, verbrennen uns die Finger an den Kastanien und trinken friedlich eine ganze Flasche Rotwein. Morgen kommt der Samichlaus, dann gibt es noch Nüsse und Mandarinen und hoffentlich einen schönen dicken schwarzen Kuss vom Schmutzli.

Balkonias wünschen allen friedliche Festtage, kauft dunkelrote Weihnachtssterne, Winterjasmin und ein paar Tannenzweige, stellt Kerzen auf und esst gemütlich an Eurem grossen Tisch und wenn es nur Maroni sind.EndeText  Kolumne

Bis bald im nächsten Jahr, Eure Balkonia